Die Albersloher St.-Ludgerus-Kirche hat durch die abgeschlossene Renovierung in vielerlei Hinsicht enorm gewonnen, jedoch nicht beim Platzangebot. So konnte der Besucheransturm zum Konzert des Kirchenchores St. Martin nur mittels zahlreicher zusätzlich in allen Winkeln der Kirche aufgestellter Stühle mit knapper Not bewältigt werden. Das adventlich-weihnachtliche Programm wurde eröffnet mit der bekannten Adventsmotette „Machet die Tore weit“ von Andreas Hammerschmidt. Raumfüllend in sehr gemessenem Tempo vorgetragen, erzeugte das sechsstimmige Werk eine flächenhafte Wirkung und sorgte bereits von Beginn an für eine festliche Stimmung.
Eine kurze Einführung in das Konzertprogramm durch Pfarrer Clemens Lübbers, der den Kirchenchor auch gesanglich unterstützte, setzte einen adventlichen Impuls und gab gute Hilfestellung für das Verständnis des Musikprogramms, das liturgisch passend mit dem Choral „O komm, o komm, du Morgenstern“ und mit dem bekannten „Macht hoch die Tür“ im Wechsel zwischen Chor und Publikum fortgesetzt wurde. Der zentrale Programmpunkt des Abends war jedoch die Aufführung des „Oratorio de Noël“ (Weihnachtsoratorium) des französischen Romantikers Camille Saint-Saëns. Das Werk ist mit etwa 35 bis 40 Minuten für ein Oratorium eher kurz gehalten und erfordert einerseits eine stattliche Besetzung mit fünf Solisten, begnügt sich andererseits im Instrumentalpart jedoch recht sparsam mit Harfe, Orgel und kleinem Streicherensemble.
Letzteres zeigte sich unter Leitung von Konzertmeisterin Eva Potthoff als sehr homogener und fein abgestimmter Klangkörper, der von Beginn an die überwiegend lyrisch-kontemplative Grundstimmung des Werkes ideal unterstützte.
Herausragend agierten die fünf Solisten. In der Arie „Expectans, expectavi Dominum“ konnte Wiebke Wighardt mit ihrem vollen, abgerundeten und sehr tragfähigen Mezzosopran überzeugen.
Die nachfolgende Tenor-Arie gestaltete Lennart Hoyer im Wechsel mit dem Frauenchor mit starkem Tremolo in opernhafter Größe und Lebendigkeit. Sodann präsentierten sich im Duett „Benedictus, qui venit in nomine Domini“ die Sopranistin Johanna Zimmer mit ihrem glockenhellen Timbre, das auch in höchsten Lagen keine Spur von Anstrengung erkennen ließ, sowie Lars Rother (Bass) mit fester, geradliniger Stimme, die trotz ihrer durchdringenden Kraft nie aufdringlich wirkte – eine faszinierende Kombination zwischen den zwei extremen Stimmlagen.
Als fünfte Solistin fungierte Ina Hirschfeld mit ihrer reifen und anpassungsfähigen Altstimme, die sich in verschiedenen Kombinationen mit den übrigen Solostimmen intonationssicher und sensibel abgestimmt eingliederte, woraus ein faszinierendes Zusammenspiel der Solisten im Quartett oder auch Quintett erwuchs.
Punktgenau vorbereitet, musizierte der Kirchenchor sehr empathisch, mit hoher Aufmerksamkeit und sichtbarer Freude und Motivation. Die Chorpassagen gerieten sehr klangtransparent und mit textverständlicher Präzision.
Auch dynamisch vermochte der Chor, angefangen vom kraftvollen Gloria bis hin zu weichen Passagen, in klanglich gut ausgewogener Verbindung mit den Solisten eine große Spannweite abzubilden und setzte mit dem Schlusschor „Tollite hostias“ einen strahlend leuchtenden Schlusspunkt an das Ende des Werkes.
Dass der Abend zu einem musikalisch so hochwertigen Erlebnis werden konnte, ermöglichte maßgeblich Kantor Winfried Lichtscheidel als „Steuermann“ am Dirigentenpult durch sein klares und stets gut lesbares Dirigat.
Ohne unnötigen Aktionismus leitete er Chor und Orchester souverän, unaufgeregt und bot dem Gesamtensemble so jederzeit eine zweckdienliche und hilfreiche Unterstützung bei seinem wohl letzten großen Chorkonzert im Dienste der Pfarrgemeinde St. Martinus und Ludgerus. Der begeisterte Applaus des prall gefüllten Hauses mag in ihm und allen Beteiligten noch lange nachklingen.
(Bericht von Heinz Braunsmann in der WN vom 08.12.2022)